Darum Grün 🌻

Sebastian Damm
5 min readSep 25, 2021

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Ich habe derzeit Angst. Angst um die Zukunft des Landes und der Welt. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht von irgendwo auf der Welt von Hitzewellen, Bränden, Fluten, Dürren oder ähnlichem berichtet wird. Allein in diesem Sommer gab es die wochenlang wütenden Waldbrände in Südeuropa und der Türkei (während gleichzeitig der Norden der Türkei überflutet wurde), in Tiefgaragen schlafende Menschen während der Hitze von bis zu 50 Grad in Kanada, die höchste jemals in Europa gemessene Temperatur in Süditalien, die jedes Jahr heftiger werdende Waldbränden in Kalifornien. Und — weil das andere ja alles “so weit weg von uns ist” — natürlich die Hochwasser an Erft und Ahr in Deutschland, als Flüsse in vorher nicht vorstellbare Höhen anstiegen und ganze Dörfer mitrissen. Ich sehe auch nicht, dass das irgendwie wieder anders werden sollte. Es wird zwangsläufig mehr werden, aufgrund unserer “Klimaschulden”, die wir in den letzten 30 Jahren angehäuft haben. Allerdings, wenn wir — als Deutschland und als Welt — nicht schleunigst handeln, sehe ich Veränderungen auf uns zukommen, die wir uns gar nicht vorstellen wollen.

Ich bin jetzt 42 Jahre alt, wenn wir so weiter machen, werde ich die 2°C Erderwärmung noch erleben. Und vielleicht sterbe ich deswegen ein paar Jahre früher, aber das wird noch gehen. Aber meine Neffen und Nichten, die bekommen das volle Programm ab. (Und der Mensch ist nur begrenzt hitze-anpassungsfähig.) Diese Zukunft will ich mir nicht vorstellen. Ich will mich nicht später fragen lassen: “Onkel Sebastian, warum habt Ihr damals nichts dagegen gemacht?” sondern “Onkel Sebastian, wie habt Ihr das damals eigentlich noch rumgerissen?”

Und nun?

Übermedien.de hat vor ein paar Wochen einen Artikel veröffentlicht, aus dem bei mir vor allem ein Satz hängengeblieben ist:

Die Klimakrise ist nicht ein weiteres Problem auf der Bühne. Sie bedroht die ganze Bühne.

Der Weltklimarat IPCC hat im Sommer einen neuen Bericht vorgestellt. Und egal, wie man es dreht und wendet, die Essenz daraus ist: Wir müssen jetzt handeln! Und zwar konsequent und schnell, sonst wird es nichts mit den 1,5°C, wahrscheinlich auch nichts mit 2,0°C Erderwärmung. Wenn das der IPCC sagt, dann ist das der aktuelle Stand der Wissenschaft. Also keine Panikmache, sondern einfach nur die Realität.
Aber eigentlich wissen wir das seit 30 Jahren (okay, genauer: seit 1912), und das wusste 1997 auch die damalige Umweltministerin Merkel.

Aber das haben doch jetzt alle kapiert und wollen jetzt was tun! Oder?

Nein. Wenn man sich den ganzen Wahlkampf anschaut und auch die Wahlprogramme, sieht man riesige Unterschiede. Und vor allem CDU/CSU und FDP legen einfach kein schlüssiges Konzept vor, wie der notwendige Wandel zeitnah gelingen soll. Ich habe locker eine zweistellige Zahl an Wahlkampfsendungen gesehen, ich habe viele Artikel gelesen, Videos geschaut, nie haben es diese Parteien auch nur ansatzweise geschafft zu vermitteln, wie das gehen soll. Wenn man der CDU zuhört, hört man nur was von “Verfahrensbeschleunigungen” (ja, richtig!) und “die Wirtschaft entfesseln”, was auch immer letzteres heißen mag. Und was dann? Dann wartet die CDU darauf, dass die “entfesselte Wirtschaft” ihnen den Arsch rettet. Als ob durch weniger Regulierung und Steuern irgendwas automatisch besser würde. Spielen wir das doch mal durch: Die Unternehmen stellen vielleicht ein paar mehr Mitarbeiter:innen ein, haben ggf. ein paar mehr Kapazitäten für Forschung frei. Und plötzlich kommt da die heilsbringende Erfindung raus, die all unsere Probleme löst? Ja selbst wenn, dann dauern Erfindungen Jahre bis Jahrzehnte, bis sie einsatzfähig sind. Mag ja sein, dass so ein Konzept in einer Welt funktionieren könnte, in der wir unendlich viel Zeit haben. Haben wir aber nicht, wir müssen jetzt handeln. Und dafür hat die CDU einfach gar kein Konzept.

Die Wissenschaft hingegen sagt: Wir haben alle notwendigen Mittel, um noch die Kurve zu kriegen. Wir müssen sie nur konsequent einsetzen.

Gern wird von Skeptikern dann die Frage gestellt: Wer soll das bezahlen, was kostet das denn? Das ist aber die falsche Frage. Wir müssen fragen: Was kostet es in Zukunft, wenn wir jetzt nicht handeln? Schon jetzt klagen Bauern jedes Jahr über Ernteausfälle, für die Hochwasser im Sommer wurde ein Hilfsfond in Höhe von 30 Milliarden Euro beschlossen, die Versicherungen haben steigende Kosten aufgrund von klimawandelbedingten Wetterereignissen. Und Wissenschaftler sagen heute: Jeden Euro, den wir nicht jetzt in Klimawandel investieren, kostet uns später 15 Euro für Klimafolgeschäden und Anpassungsmaßnahmen. Kein Klimaschutz ist quasi unbezahlbar.

Die Union hat in der letzten Legislaturperiode gezeigt, dass sie nicht Willens ist, das Thema richtig anzugehen. Beispiele? Peter Altmeier rechnete jahrelang den zukünftigen Stromverbrauch klein, um damit den Ausbau zu bremsen. Er verrechnete sich um Faktor 4000 (upsi!) nach oben bei den Infraschallbelastungen durch Windräder und schuf somit unbegründete Ängste bei Anwohnern neuer geplanter Windkraftstandorte. Überhaupt bremste die Union den Ausbau der erneuerbaren Energien dermaßen aus, dass knapp 120.000 Arbeitsplätze in der Branche verloren gingen. (Zum Vergleich: In der Kohleindustrie arbeiten ca. 20.000 Menschen.) Statt die erneuerbaren Energien weiter auszubauen, wurden seit 2017 immer weniger Anlagen errichtet.

Armin Laschet brüstete sich im Wahlkampf mit der angeblichen Vorreiterrolle NRWs in Sachen Klimaschutz. In Wahrheit ging in NRW noch 2020 rechtswidrig ein neues Kohlekraftwerk ans Netz (entgegen des Vorschlags der Kohlekommision von 2019), es sollen weiterhin 4 Dörfer dem Kohleabbau weichen, und diesen Sommer beschloss die Landesregierung ein neues Abstandsgesetz für Windräder, was den Ausbau von Windkraft in NRW quasi unmöglich macht. Und Herr Laschet möchte “Deutschland so regieren, wie er es in NRW tut.” Alles klar?

Also?

Wir haben die Wahl. Entweder wir leiten jetzt mit konsequenten Maßnahmen eine Richtungsänderung ein und können den notwendigen Wandel noch gestalten, oder wir machen jetzt noch ein paar Jahre lang so weiter wie bisher und müssen dann eine Vollbremsung hinlegen. Und das wird richtig schmerzhaft.

Ich prophezeie, dass jede Partei mehr tun wird als sie jetzt offen zugibt. Manche freiwillig und gestaltend, andere nur reagierend durch Sanktionen der EU, Gerichtsurteile und immer stärker werdende Bürgerproteste. Ich möchte bitte ersteres. Und diesen Gestaltungswillen hat nur eine Partei.

Setzt bitte das Kreuz für die Zweitstimme bei Bündnis90/Die Grünen.

Ich möchte von einer Regierung regiert werden, die auf die Wissenschaft hört, die Warnungen ernst nimmt und danach handelt. Denn wenn wir von Generationengerechtigkeit sprechen, dann denke ich zu allererst an eine auch in 50 Jahren noch bewohnbare Erde. Wenn die Politik das hinkriegt, bezahlen nachfolgende Generationen auch gern die Schulden, die dafür jetzt notwendig sind. Was uns nicht hilft, ist jemand, der “Standhaftigkeit im Wind der Veränderung beweist”.

Danke fürs Lesen.

P.S.: Für alle Abers, bitte hier entlang.

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Sebastian Damm

politisch interessierter ITler, Ehemann, mit dem Hund im bayrischen Wald unterwegs